Dörflinger setzt im Land auf Grün-Schwarz - 16.3.21
Warum der CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief das aber nicht um jeden Preis will
Von Gerd Mägerle
Biberach
Erleichterung, Wundenlecken und Rätselraten, wie es weitergeht - der Tag nach der Landtagswahl sorgte auch bei den politischen Mandatsträgern in Land und Bund aus dem Kreis Biberach für eine Gefühlsachterbahn.
„Ich bin einfach nur erleichtert und zufrieden“, meinte Thomas Dörflinger am Montag im Telefonat mit der SZ. Dass es ihm am Ende des Wahlabends mit 34,1 Prozent doch einigermaßen deutlich wieder für das Direktmandat reichte, sei so nicht zu erwarten gewesen. Allerdings sei er vor fünf Jahren aufgeregter gewesen. „Diesmal hatte ich bereits verschiedene Szenarien durchgespielt.“ Eines dieser Szenarien sah auch den Verlust des Direktmandats vor. „Wenn man in einige Nachbarwahlkreise blickt, war das kein völlig unwahrscheinlicher Fall“, so Dörflinger. Er habe am Ende des Wahlkampfs seine Stärken und die Erfolge der eigenen Arbeit der vergangenen fünf Jahre betont. „Im Rückblick war das die richtige Strategie.“
Dass er aufgrund des pandemiebedingt eingeschränkten Wahlkampfs Vorteile gegenüber den unbekannten Kandidaten anderer Parteien gehabt habe, will Dörflinger so nicht stehen lassen: „Es gibt genügend Beispiele aus anderen Wahlkreisen, in denen sich Newcomer gegen etablierte Mandatsträger durchgesetzt haben.“
Er rechne damit, dass es nun rasche Koalitionsverhandlungen gibt. „Wir können den Menschen in der jetzigen Situation keine lange Hängepartie zumuten“, sagt Dörflinger. Dies spricht aus seiner Sicht dafür, die bewährte Koalition aus grün-schwarz fortzusetzen, „als jetzt in ein schwieriges Dreierbündnis einzusteigen“. Und falls nicht? „Dann wird es viel schwieriger für mich, für den Wahlkreis etwas zu erreichen“, meint er. Das sei zwar auch in der Opposition nicht ausgeschlossen, „ist aber mit höherem Aufwand verbunden“.
Das sieht auch sein Bundestagskollege und CDU-Kreisvorsitzender Josef Rief so. Er warnt allerdings vor zu viel Zugeständnissen an die Grünen, nur um in der Koalition zu bleiben. „Sie werden nun versuchen, uns möglichst viele Kröten schlucken zu lassen“, so Rief und verweist auf Themen wie Straßenbau, Schulpolitik oder die Debatte um Einfamilienhäuser. „Bevor wir als CDU unsere Identität preisgeben, sollten wir die Finger von einer weiteren Regierungsbeteiligung lassen“, meint er. Dörflinger attestiert er, eine „enorm gute Arbeit“ geleistet zu haben.
Für die Bundestagswahl könne das Ergebnis im Land dann ein Fingerzeig sein, wenn die Grünen in Stuttgart die SPD in eine Koalition holen. „SPD und Grüne würden in Berlin mit der Linken koalieren, wenn sich die Chance bietet“, ist Rief überzeugt. Allerdings halte er die Bundestagswahl momentan noch für völlig offen. Nur auf die anderen zu schauen, halte er für die falsche Strategie. „Wir müssen den Wählern als Union ein eigenes gutes Angebot machen.“
Ähnlich offen sieht die Bundestagswahl auch sein Biberacher SPD-Kollege Martin Gerster, wenngleich unter anderen Voraussetzungen. Gerade mal 5,8 Prozent erreichte die SPD im Wahlkreis Biberach - noch weniger als vor fünf Jahren. Die Sozialdemokraten sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Zusammen mit dem Abschneiden in anderen oberschwäbischen Wahlkreisen sei das Ergebnis doch sehr enttäuschend, meint Gerster. Andererseits gebe es trotzdem eine sehr gute Möglichkeit, künftig im Land mitzuregieren. Er hoffe deshalb auf eine Ampelkoalition. „Es wäre gut, wenn es in der Landesregierung zu einem Farbwechsel käme.“
Der hiesigen SPD-Kandidatin Bettina Weinrich bescheinigt Gerster einen guten Wahlkampf. „Im Wahlkreis Biberach haben wir traditionell einen schweren Stand.“ Alles sei durch die Pandemie noch schwieriger geworden. Die CDU habe direkt vor der Wahl offenbar alles an Menschen und Geld mobilisiert, um ihr Direktmandat zu halten, sagt Gerster und spricht von einer „fast schon überdimensionierten Kampagne“. Dennoch gratuliere er Dörflinger zu seinem beachtenswert guten Ergebnis, so Gerster.
Bewerberinnen und Bewerber wie SPD-Kandidatin Bettina Weinrich, die erstmals antrat und sich noch bekannt machen musste, seien durch die Pandemie ein Stück weit die Mittel dazu genommen worden, sich präsentieren zu können. Er wünsche sich, dass sie in fünf Jahren vielleicht einen neuen Anlauf bei der Landtagswahl unternehme, sagte Gerster.
Das plant Grünen-Kandidat Robert Wiest auf jeden Fall. „Wäre Corona nicht gewesen, wäre es diesmal sicher noch enger geworden“, meint er. „Wir haben eine Chance, den Landkreis Biberach grün zu machen.“ Er wolle bei der Kommunalwahl auch für den Kreistag kandidieren. Für die anstehenden Koalitionsverhandlungen präferiere Wiest die Ampel. Er glaube, dass die CDU nicht überall mitziehe, wenn es um Klimaneutralität geht.