"Wir wissen nicht, wer jetzt das Sagen hat" - 25.10.24
Von Dirk Grupe
CDU-Verkehrsexperte Thomas Dörflinger aus Biberach erwartet schwierige Zeiten für die Regierungskoalition in Stuttgart, wie er im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“ erklärt.
Stuttgart Winfried Kretschmann (Grüne) hat beim Landkreistag überraschend angekündigt, dass der geplante Radewegekoordinator, der die Planungen zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen abstimmen sollte, nun wohl doch nicht kommt. Wofür der Ministerpräsident Zustimmung erhielt von den Landkreisen und auch von der CDU. Doch was sagt die, nach dem Gleichbehandlungsgesetz, nächste Kehrtwende über den Koalitionsfrieden und die künftige Arbeit in der Landesregierung aus? Thomas Dörflinger jedenfalls, Verkehrsexperte der CDU-Fraktion, erwartet schwierige Zeiten, wie er im Interview erklärt.
Herr Dörflinger, Ministerpräsident Kretschmann hat angekündigt, der geplante Radewegekoordinator soll nun doch nicht kommen. Zu ihrer Freude, oder? Genau, wir sind sicherlich keine Fans davon. Die Landkreise lehnen es ja auch ab. Man nennt das, glaube ich, in der Juristerei eine aufgedrängte Bereicherung. Und hier geht es schließlich um 4,6 Millionen Euro, bei einem wirklich engen Haushalt. Bevor wir das Geld jetzt in Bürojobs stecken, investieren wir das doch besser ganz direkt in die Infrastruktur, in den Radwegebau. Wir wollen etwas für die Radfahrer tun, wir wollen die Möglichkeiten der Menschen erweitern und nicht die Zahl der Paragrafen. Deshalb finde ich, dass der Ministerpräsident da eine richtige Entscheidung getroffen hat.
Der Koordinator ist jedoch Teil des Landesmobilitätsgesetzes, auf das man sich im Prinzip schon geeinigt hatte – und das man nun doch wieder aufschnüren muss? Für uns wäre das ein „Verbessern“ des Gesetzes. Wir gehen davon aus, dass diese Radkoordinatoren einfach nicht weiterverfolgt werden und deshalb auch bei der Verabschiedung des Landesmobilitätsgesetzes keine Rolle mehr spielen.
Schwingt da auch etwas Skepsis mit? Das Verhältnis von CDU und Kretschmann ist von Vertrauen geprägt. Wir hoffen natürlich, dass es nicht wieder so ein Hickhack und ein Hin- und Her mit dem Koalitionspartner gibt wie beim Gleichbehandlungsgesetz. Erst diese Woche, als es um den Nationalpark ging, hat der Ministerpräsident unseren Fraktionsvorsitzenden Manuel Hagel sehr gelobt für die Verhandlungen. Er sei ein harter, aber fairer und verlässlicher Verhandlungspartner. Und das ist Winfried Kretschmann für uns ebenfalls. Deshalb sind wir überzeugt, dass das Wort von Ministerpräsident Kretschmann gilt.
Aber gilt das auch für seine Partei insgesamt? Zuletzt haben wir schon wahrgenommen, dass Partei und Fraktion der Grünen den Ministerpräsidenten und seiner Staatskanzlei zunehmend abgrätschen. Wie beispielsweise beim Gleichbehandlungsgesetz, als das Staatsministerium gesagt hat, wir verfolgen das nicht weiter, die grüne Fraktion jedoch alles andere als zufrieden war. Die Rede war von „friendly fire“. Das ist ein Konflikt, der innerhalb der Grünen, innerhalb des Koalitionspartners ausgetragen wird. Und das erschwert uns natürlich die Arbeit, weil wir nicht wissen, wer hat jetzt wirklich das Sagen.
Aber nutzt die CDU in den Verhandlungen womöglich auch die derzeitige Schwäche der Grünen aus? Die jetzige Situation macht es uns eigentlich viel schwerer, weil es immer darum geht, wer spricht jetzt für die andere Seite. Natürlich verwirrt uns dieses babylonische Sprachgewirr sehr. Wir machen als CDU Politik für die Menschen im Land. Uns geht es zuallererst um Baden-Württemberg. Deshalb arbeiten wir auch nicht gegen unseren Koalitionspartner, sondern für ein modernes Baden-Württemberg, das das Leben der Menschen einfacher macht und für ein Land, das im Alltag der Menschen funktioniert.
Ist die CDU der Regierungskoalition überdrüssig? Die Landtagswahlen 2026 stehen im Raum, Kretschmann tritt nicht mehr an, die anstehende Kandidatur von Cem Özdemir... Überdrüssig sind wir der Koalition nicht, aber es wird zunehmend schwer, weil sich jetzt einfach viel tut. Sie haben das Beispiel Özdemir angesprochen. Es ist eigentlich ein offenes Geheimnis, dass er antreten wird. Aber das macht es natürlich noch komplizierter, denn Özdemir wird, wenn man die schlechten Umfragewerte sieht, sofort in den Wahlkampfmodus übergehen. Wir aber haben natürlich eine ganz andere Aufgabe. Wir sind die gewählten Vertreter der Menschen im Land Baden-Württemberg. Und dann kommt jemand, der frei von jeder Verantwortung für das Land ist und sofort in den Wahlkampf eintritt. Wir jedoch müssen das Land mit den vielen Problemen sauber regieren und das machen wir selbstverständlich auch bis zum Ende. Einfacher wird es aber nicht, wenn bei den Grünen jetzt noch ein Player dazukommt.